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Ein zäher Start

Gut, ganz so zäh wie die Regierungsbildung, in der Deutschland gerade sich befindet, ist es (noch) nicht.

Vergangenen Montag (22. Januar) war der offizielle Start ins neue Jahr an allen Schulen in Ruanda. Ich wurde bereits informiert, dass ich keine Einkehr zurück in den Alltag erwarten kann, dass sich das etwas strecken könnte. Nun, am ersten Tag war etwa ein Drittel der Lehrer und ein noch kleinerer Bruchteil der Schüler anwesend. Unbeeindruckt davon, wurden in den folgenden Tagen immer wieder planerische Meetings gehalten von denen ich nur wenig verstand. Ich suchte mir daher andere Arbeiten wie bspw. unserem Elektriker der Schule (ebenfalls mein Nachbar) zu helfen oder in meinem eigenen Haus die gesamte Installation neu zu verdrahten. Kein Unterricht, viel Arbeits-Beschaffungs-Maßnahmen meinerseits; so lässt sich die vergangene Woche etwa zusammenfassen. Etwas frustrierend war es schon, aber so ist das hier nun mal.

Warum ist das so?

Ich möchte das natürlich hier nicht einfach als Gemecker stehen lassen, alles hat seinen Grund:

  1. Besonders das Bildungssystem der oberen Sekundarstufe (A-Level, ähnlich wie deutsches Abitur) steht in einem konstanten Wandel in dem man versucht, die Schüler besser für die Arbeitswelt vorzubereiten. Dazu gibt es eine speziell eingerichtete Behörde, WDA (Workforce Development Authority), die im Grund genommen das alte System (Frontalunterricht, theoretisch, starr) komplett über den Haufen geworfen hat, um es mit einem neuen, modernen System (modular, flexibel, Praxiseinheiten, schülerorientiert) zu ersetzen. Das bedeutet eine riesige menge Arbeit für die Schulleitung und die Lehrer. Lehrpläne und vorhandene Materialien müssen überarbeitet oder von Grund auf neu geschrieben werden.
  2. Da die WDA die Änderungen nicht Jahre im voraus bekannt gemacht hat, sondern erst kürzlich, war die Vorbereitungszeit der Lehrer und Schulleiter entsprechend kurz. Es hat sich somit nach hinten verschoben.
  3. Logistik. Nicht etwa von Materialien, sondern von Personen. Das College Bethel ist ein Internat mit über 1000 Schülern. Allein im Zentrum Ruhango gibt es etwa 15 Schulen. Die meisten (über 90%) unserer Schüler kommen von überall aus Ruanda, aber nicht von hier. Daher ist das öffentliche Verkehrsnetz, so zuverlässig es auch ist, mit jedem Ferienanfang und Ende hochgradig überlastet. Es ist also schon mal rein vom Transport her nicht möglich, jeden Schüler an einem Tag ans Ziel zu bringen. Übrigens: Buspreise sind je nach Strecke durch die Regierung festgelegt. Überlegt mal, es wäre nicht so, das könnte keiner Bezahlen (Ich: pro Regulierung!). Ja, man könnte auch eine Woche vorher in den Ferien Anreisen. Aber würdet ihr gerne eine Woche umsonst arbeiten bzw. eine Woche lang alleine in einer leeren Schule fest sitzen? Nein? Ich auch nicht.
  4. Die Schüler kommen nicht einfach und sind dann da. Man muss sich im Schlafsaal einrichten, es wird überprüft ob die Schulgebühren bezahlt wurden usw. Das braucht Zeit.
  5. College Bethel ist eine private Schule. Heißt, die Regierung greift hier weniger ein. Das klang für mich am Anfang auch etwas eigenartig, doch tatsächlich gelten öffentliche Schulen aufgrund der Regulierungen als strukturierter, strenger regelkonformer als die privaten. Private Schulen wie diese, sind (leider) wie eine Firma mit finanziellem Interesse zu sehen und der Schüler als Kunde. Mit jedem Schüler steigt das Budget und somit das Einkommen des Trägers. Das hat zum Beispiel zur Folge, dass Lehrer nicht so streng sind, wenn mal jemand schummelt bei einem Test. Es würde zu Unmut bei den Eltern führen, da die ein gutes Zeugnis sehen wollen. Traurigerweise wird sich der Abschluss gewissermaßen erkauft (auch Ich: pro Verstaatlichung). Eine andere Ausprägung der fehlenden Regulierung ist, dass es gemütlicher läuft, es macht ja keiner Druck und die Schüler (Kunden!) sind naturgemäß wenig an Unterricht interessiert.
  6. Teufelskreis des Abwartens: Lehrer argumentierten mir gegenüber, dass es sich nicht lohnt mit dem Unterricht so früh zu beginnen, da ohnehin nicht alle Schüler anwesend sind. Schüler halten dagegen und: tja was sollen wir kommen, wenn sowieso kein Lehrer da ist.

Heute, am Montag der zweiten Woche, haben steht der Stundenplan zumindest so halb fest und es läuft Unterricht. Da mein Vorgesetzter und Oberstufenleiter Felix allerdings noch sehr beschäftigt ist, suche ich mir weiterhin meine Arbeit selbst. Es wird. Langsam, aber es wird.

Bleibt zu hoffen, dass nun kein Christian Lindner im Bildungsministerium kommt und sagt: „Ach das neue System, das war ein Fehler, das kann nichts werden. Besser keine Änderung machen, als eine falsche“. Und wieder von vorne beginnen.

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