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10 Monate Ruanda – meine Arbeit

Ich habe zwei Beiträge an meinem Tag veröffentlicht. Der andere ist gleich unter diesem.

Zu Beginn dieses Trimesters bin ich für etwa zwei Wochen in ein ziemliches Loch gefallen. Durch den Beginn des Trimesters war mein Stundenplan nicht mehr gültig und ich erledigte „irgendwelche“ Arbeit an der Schule spontan. Ich hatte fast keine Verpflichtungen und nach mir gefragt hat man auch nicht viel. Ich bin an dieser großen Schule untergegangen und habe mir eingeredet, dass es so doch eigentlich ganz entspannt, ganz „chillig“ war. Trotzdem war ich unzufrieden und einsam. Natürlich dachte ich darüber nach, nochmal mit meinen Kollegen einen Zeitplan auszuarbeiten, aber ich lebte irgendwie von Tag zu Tag und änderte doch nichts. Glücklicherweise kam irgendwann mein Mentor und eine andere Freiwillige von Gisenyi mal vorbei um zu schauen, wie es bei mir so läuft. Er hat mir den Schubs gegeben den ich brauchte. Wir haben zusammen mit den Lehrern gesprochen und über Probleme geredet. Ein paar Tage später hatte ich meinen neuen Stundenplan. Die kommende Woche wurde mir klar, wie sehr ich diesen eigentlich gebraucht habe. Eigentlich wollte ich es mir nicht eingestehen, doch ich brauche einfach eine feste Struktur in meinem Alltag.

Seitdem ging es schnell wieder Berg auf und mir begann die Arbeit wieder deutlich mehr Spaß zu machen. Auch mein Projekt im Projekt, der Common Knowledge Club, läuft mittlerweile. Zur Erinnerung: dabei geht es darum, dass Schüler Themen vorschlagen können, die in ihrem Interesse liegen, sie aber in der Schule aber nicht beigebracht bekommen. Diese werden dann gemeinsam einmal pro Woche im Zeitrahmen von etwa einer Stunde erarbeitet. Erstes Thema war ein Vorschlag von mir zum Warmwerden, dem Backfire Effekt. Das ist eine psychologische Eigenschaft von Menschen, die für Faktenresistenz verantwortlich ist. Wenn wir mit Fakten konfrontiert werden, die unseren tiefsten Überzeugungen widersprechen, auch wenn sie noch so gut begründet sind, dann glauben wir am Anschluss entweder genauso oder sogar noch fester an unsere unwahre Überzeugung. Ich veranschaulichte das Phänomen anhand dessen, dass ich die ersten 15 Minuten des Projekts damit verbrachte, knallhart die Evolutionstheorie anhand von Fakten herunterzubeten und zu sagen, dass Menschen und Affen eng verwand sind, was bei Ruandern oft auf entsetzen stößt. Wie erwartet stieß ich auf taube Ohren, bis ich meine Teilnehmer über das Experiment aufgeklärt habe, und dass ich natürlich genau so nicht vorgehen werde. Den Rest der Stunden diskutierten wir den Effekt etwas weiter und stimmten über das Thema für die kommende Woche ab. Ergebnis: Computer Animationen und spezial Effekte in Filmen, wie diese gemacht werden.

Leider wurde ich in der kommenden Woche erst einmal enttäuscht, da kein Schüler zu der vereinabarten Uhrzeit erschien. Gut, „enttäuscht“ ist etwas zu hoch gegriffen, da ich mich ja bekanntlich frei von jeglichen Erwartungen gemacht habe. In der Woche darauf erinnerte ich die Schüler nochmals daran und tatsächlich, sie kamen auch. Allerdings zwischen einer halben und ganzen Stunde zu spät. Es war einfach zu dicht geplant an die Zeit zum Waschen von Klamotten usw. Ich gehe also davon aus das kommende Woche, die Teilnehmerzahl besser sein wird (letztes mal waren es etwa 10 Schüler).

Zurück zum regulären Unterricht: ich habe begonnen im Englischunterricht der Mittelstufe (O-Level) zu assistieren, was eine sehr gute Entscheidung war. Ich arbeite sehr gut mit dem Lehrer zusammen und auch die Schüler sind motivierter. In der Oberstufe können maximal 20% der Schüler meinem simplen Englisch kaum folgen, was es sehr schwierig macht zu unterrichten. In der Mittelstufe sieht es deutlich besser aus. Vor etwa 10 Jahren wurde das Bildungssystem bekanntlich von einem auf den anderen Tag auf Englisch umgestellt (vorher Französisch), was die Lehrer und Schüler vor enorme Schwierigkeiten stellte. Die Schüler, die jetzt in der Oberstufe sind, haben da besonders drunter gelitten und sprechen in der Folge oft weder Englisch noch Französisch. Nach und nach haben die Lehrer in der Grundschule aber Englisch gelernt und können es somit an die Schüler weitergeben. Daher sind die jüngeren oft die besseren im Englischen. Dennoch ist der Sprachunterricht sehr wichtig. In der Grundschule werden lediglich die Grundlagen erlernt (wer hätte das gedacht).

Wie vorher auch habe ich ein paar Stunden in den Computer Science Klassen, wo ich nun überwiegend Programmieren unterrichte.

Wie profitiert Ruanda sonst von mir? Ich glaube diese Frage habe ich in all der Zeit nicht beantwortet.

Ich habe beobachtet, wie viele Ruander unter Selbstverachtung ihrer eigenen Kultur und des Landes leiden, während in den anderen Ostafrikansichen Ländern und besonders Europa und Amerika Milch und Honig fließen. Das ist so pauschal natürlich falsch und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Ruander stolzer auf ihr Land und ihre Errungenschaften zu machen, was ein entscheidender Faktor für ein glückliches Leben sein kann (und besorgte Bürger in Deutschland freuen sich über weniger Migranten …).

In meinem vorigen Artikel berichtete ich über große Hierarchien. Ich versuche die Ruander zu ermutigen, sich nicht alles gefallen zu lassen und auch mal den Mund aufzumachen. Mir ist durchaus bewusst, dass ich mich damit auf dünnem Eis bewege.

Im selben Artikel schrieb ich von mangelndem Hinterfragen von Information und naivem Glauben. Durch konstruktive und kontroverse Diskussionen Beispielsweise in der wöchentlichen Debatte an der Schule versuche ich das selbstständige Denken anzuregen. Gerade diesen Punkt bitte nicht falsch verstehen. Die Ruander sind alles andere als dumm, sie sind in ihrem Leben oft sehr einseitig informiert worden (betrifft Politik und Religion).

Egal welche Arbeit ich hier leiste, es ist immer schwierig nicht die deutsche Position zwingend als die Richtige zu sehen, denn damit währen wir beim Beispiel Neokolonialismus. Ein Beispiel, das gerade in den Nachrichten war: Ruanda ist nun mit dem Logo „Visit Ruanda“ Sponsor des Fußballclubs Arsenal und gibt dafür Millionen aus. Gleich nach bekanntwerden hat die Schweiz bekannt gegeben, dass Entwicklungshilfe Gelder gestrichen werden sollen, da man „Ruanda helfen wolle und nicht einem Fußballclub“. Dabei werden zwei Dinge vergessen: bei diesem Sponsoring handelt es sich um eine Investition um den Ruandischen Tourismus aufzubauen, der schon jetzt Millionen jährlich in die Kassen spült. Zweitens: Ruanda ist ein souveräner Staat und das gilt es zu respektieren. Durch streichen der Gelder auf die Ruanda angewiesen wird, wird erpresst und gesteuert. Das geht nicht. Dazu kommt, dass das Sponsoring aus selbst erwirtschafteten Geldern der Tourismusbranche erwirtschaftet wurde.

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