Eine Freundin, ursprünglich Nachbarin, studiert mittlerweile Business an der University of Technology and Business in Kigali. Dieses Wochenende ist sie „nach Hause“ zu ihrer Tante gefahren, wo ich sie besuchen wollte. Der Ort liegt recht weit abseits der Hauptstraße zwischen Nyanza und Ruhango. Leider habe ich es erneut verpeilt, mir den Namen der Village zu merken, hatte aber noch einen Pin auf Google Maps gesetzt.
Bin dann mit dem Bus von Ruhango richtung Nyanza und etwa auf der Hälfte ausgestiegen. Ab da fahren nur noch Fahrräder und Motos, keine Busse.
Mit meiner digitalen Karte bin ich dann zu zwei Motofahrern hin gegangen. Der erste hatte überhaupt keinen Plan, der zweite hingegangen meinte, er kennt den Ort. Habe ihm da mal vertraut, bin aufgestiegen und wurde ziemlich schnell gefragt, wie er denn nun fahren soll. „Yes, I know the place“, hatte er doch vor einer Minute gesagt? Mit meiner unvollständigen Karte (es sind bei weitem nicht alle Straßen eingezeichnet), sind wir darauf hin vor einem Krankenhaus gelandet, in einer Sackgasse.
Mein Fahrer war verwirrt. Ich fragte, ob ich einfach selbst weiterfahren soll. Er bejahte direkt, ohne nach meinem Führerschein zu fragen (ja, ich habe einen). Die Kiste anzutreten war wie immer etwas schwierig. Neutral ist ganz unten (wo sonst eigentlich der Erste ist), Standgas ist nicht eingestellt (Motor geht direkt aus) und um den Kickstarter rum ist es total verbaut, so das man nicht richtig treten kann. Außerdem ist ihm bei einem Unfall mal der Bremshebel von der vorderen Bremse abgebrochen. ABER er hat zwei Helme.
Wie dem auch sei, wir sind zurück auf den richtigen Weg, wobei wir uns an einer matschigen Stelle fast hingelegt haben. An einer der Brücken, die aus Baumstämmen gebaut sind, habe ich lieber geschoben, als im Bach zu landen. Glücklicherweise hatte es nicht geregnet, so dass die Straße relativ gut befahrbar war. Zwischendurch sieht man übrigens sogar ein bisschen Asphaltreste! Wer auch immer das gebaut hatte, war aber offensichtlich nur an schnellem Geld interessiert. Es wurde einfach eine (total weiche und dünne) Deckschicht auf den blanken, sandig-lehmigen Boden gekippt. Schade um das Geld, was da verbraten wurde. Denke mal, man hat darauf gelernt.
Während der Fahrt durch die schöne Landschaft hat der eigentliche Fahrer immer wieder versucht mit mir zu reden, auf Englisch. Ich verstand recht wenig davon, doch es gefiel mir, wir er sein bestes gibt, Englisch zu sprechen. Viele Ruander schämen sich für ihr Englisch, wenn sie vor Weißen sprechen. Leider gelten wir in diesen Fällen oft als die allwissenden Halbgötter, die alle Englisch als Muttersprache sprechen.
Etwa eine halbe Stunde sind wir umhergefahren, bis wir am Ziel ankamen. Das Haus der Tante ist in einem sehr kleinen „Zentrum“ der Village, Zur Erinnerung: in Siedlungen zu bauen ist nicht Teil der originell ruandischen Kultur, weshalb alles auf dem Land sehr zerstreut ist.
Wie üblich, sind jede Menge Kinder auf und an der Straße. Meine Freundin hörte mich kommen und kam gleich aus dem Haus raus. Wir quatschten noch etwas mit dem Fahrer und sind dann ins Haus. Übrigens sieht man von dort aus sehr gut auf den gegenüberliegenden Hügel, auf dem ein Gefängnis gebaut wurde. Die Insassen sind wohl fast alle Täter im Völkermord gewesen und angeblich sitzt auch ein Amerikaner dort ein.
Nun, was macht man so auf dem Land, wo nichts ist? Wir haben Musik gehört und uns unterhalten. Immer wieder kamen Nachbarskinder ins Haus rein und raus. Die Tür ist offen für Jederman, man kennt sich ja. Wir aßen zusammen Cassava (Maniok) und Bohnen, ohne Soße und kalt vom Vortag vom selben Teller. Adventisten kochen samstags nicht, denn das ist der Sabbattag.
Wie zu erwarten, es ist Regenzeit, fing es im Laufe des Nachmittags ordentlich an zu Gewittern, das sogar der Boden beim Donner vibrierte. Wir stellten uns raus und schauten dem Schauspiel zu. Ich glaube, wenn ich zurück nach Deutschland komme, werde ich mich beim ersten Gewitter kaputtlachen. Nicht nur, dass es hier in der Regenzeit täglich gewittert, sondern dass es auch oft ziemlich heftig ist. In dieser Region gibt es relativ wenig Tote durch Blitze, Im Ostkongo und in Ruanda nahe des Kivusees gibt es aber leider ziemlich oft Tote. Das Problem wurde erkannt und es wird diesbezüglich Aufklärungsarbeit durch die Medien geleistet.
Nach dem zweiten Regenschauer, es war schon 16 Uhr, wollte ich mich wieder auf den Heimweg machen. Wir riefen meinen vorigen Fahrer wieder an, damit er mich abholen kommt. Auf den haben wir ziemlich lange gewartet, aber ich hatte ja Zeit. Als er endlich kam, hatte er nur einen Helm dabei, den anderen hatte er an der Bushaltestelle vergessen. Die Besonderheit auf dem Land: man drückt ihr eher mal ein Auge zu bei sowas, u.a. wegen der niedrigeren Polizeipräsenz. Außerdem sieht man immer wieder Motos, auf denen drei statt zwei Leuten sitzen. Bitte nicht denken, dass sich nun ein Klischee bestätigt hat: ich kenne auch welche, die in der Eifel Jahre ohne Führerschein gefahren sind und das Fünfsitzer Auto, in das sechs Leute quetscht werden, hat ja auch jeder schon erlebt.
Trotz meiner guten Fahrt auf dem Hinweg, schien er es mir nicht so recht zuzutrauen, auf der sehr rutschigen Straße zurück zu fahren. Während dem Rückweg, begann ich sein Englisch mehr und mehr zu verstehen. Er erzählte mir Details zu den Orten, an denen wir vorbeikommen im Wechsel mit dem Satz, den er immer wiederholte: „is’e very diffelent, much’e sliding“. Aufeinander folgende Konsonanten mit Vokalen aufgefüllt, R und L verwechselt, das ist typisch für ruandisch angehauchtes Englisch. Ob R und L verwechseln auch damit zu tun hat, dass viele hier rechts und links nur schwer unterscheiden können?
Unsere Unterhaltung wurde immer wieder unterbrochen von Kindern am Straßenrand, die mir wild und voller Euphorie „Umuzungu!“ entgegenbrüllten. Wann sieht man auch schon einen Weißen selbst ein Moto fahren?
Wir sind dann doch recht zügig an der Bushaltestelle angekommen. Eigentlich wollte ich ab dort wieder einen Bus holen, doch er bot mir an, mich für nur 300 Francs nach Ruhango zu bringen. Ein Angebot, dass ich nicht ausschlagen konnte, denn der Bus kostet 350.
Habe natürlich erneut gefragt, ob ich wieder Fahren dürfe. Er hat mir direkt seinen Helm gegeben, und wir sind los. Diesmal hatte es mit dem Anlassen auch besser geklappt. Mittendrin währen wir fast gestrandet, da sein Tank leer war. Obwohl keine Tankstelle da war, hat er trotzdem zügig irgendwoher einen halben Liter Benzin in einer PET Flasche organisiert und weiter gings. Da sein Tacho kaputt ist, war es ziemlich schwer, die Geschwindigkeit einzuschätzen. An dieser Straße gibt es nämlich einige Verkehrkontrollen, wo ich nur ungerne reingeraten wäre. Die Diskussion, ob mein deutscher, nationaler Führerschein gültig ist oder nicht, habe ich mir gerne gespart.
Hat aber Spaß gemacht, mit dem Moto nochmal auf Asphalt etwas schneller fahren zu können. Wobei bei zwei Personen auf einer Maschine mit 125cm³ und knappen 10PS nicht gerade viel drin war an Geschwindigkeit. Zumal ich ohne Schutzkleidung auf einem Moto, bei dem ohnehin nur eine Bremse funktioniert und das Vorderrad eiert, lieber etwas vorsichtiger gefahren bin.
Habe ihm dann das restliche Geld in die Hand gedrückt und habe mich verabschieded. War ein schöner Tag.
PS: Ich glaube es gibt fast keine Beiträge, in denen ich nicht irgendwie immer etwas Technik erwähne. Ist aber meistens nicht wirklich relevantes, kann also getrost übersprungen werden 🙂